Ein Matrose aus Derry
Harry Callan wurde am 19. November 1923 in Derry in der britischen Provinz Nordirland geboren. Nach Ende seiner Schulzeit begann Callan sich nach einer Arbeit umzusehen. Er arbeitete zunächst als Laufjunge im Gemüseladen seines Onkels. 1939 machte Callan dann eine Ausbildung zum Matrosen in England. Er fuhr zunächst auf einem Postschiff, später auf einem Handelsschiff. Am 20. Mai 1940 heuerte er auf dem britischen Kühlfrachter „Afric Star“ an.
In deutscher Gefangenschaft
Die „Afric Star“ wurde am 29. Januar 1941 im Südatlantik von einem deutschen Hilfskreuzer angegriffen und versenkt. Die deutsche Kriegsmarine nahm die Besatzung und sieben Passagiere gefangen und brachte sie nach Bordeaux. Die Besatzungsmitglieder des Schiffs wurden im Juli 1941 erst in das Kriegsgefangenenlager XB Sandbostel, im Februar 1942 ins Marinelager Westertimke verlegt. Harry Callan und seine Mithäftlinge durften sich hier relativ frei bewegen. Im Gegenzug sollten sie „freiwillig“ für die Deutschen arbeiten. Da sie als irische Staatsbürger dazu nicht verpflichtet waren, lehnten Callan und seine Kameraden dies ab.
Internierung in Farge
Die Marine übergab Callan und seine 31 Mitgefangenen daraufhin der Gestapo. Diese brachte sie im Februar 1943 ins „Arbeitserziehungslager“ Farge. Die irischen Matrosen gehörten zu den ersten Zwangsarbeitern, die auf der Baustelle des Bunkers eingesetzt waren. Sie mussten anfangs bei der Verlegung der Deiche helfen. Später wurden sie überall eingesetzt. „Wir wurden wie Vieh behandelt“, berichtete Callan später. Die irischen Matrosen blieben bis zur Auflösung der Lager Anfang April 1945 in Farge. Dann wurden sie nach Westertimke zurückgebracht und dort von britischen Truppen befreit.
Eine Tasse Kaffee
Harry Callan überstand die Haftzeit in Farge vor allem wegen des Lagerarztes Dr. Heidbreder. Callan lernte den Arzt während eines Aufenthaltes auf der Krankenstation des Lagers kennen. Heidbreder mochte den jungen Matrosen und holte ihn tagsüber zu sich zur Gartenarbeit nach Hause. Heidbreder behandelte Callan gut. Heidbreders Kinder Mareike, Uwe und Enno nannten ihn „Onkel Harry“.
Andere Häftlinge waren dem Lagerarzt dagegen egal. Im Prozess gegen die Wachmannschaften des Arbeiterziehungslagers wurde Heidbreder als „Ziegenhäuter“ beschrieben.
Der Prozess gegen die Wachmannschaften des Arbeitserziehungslagers
Im Frühjahr 1946 war Callan Zeuge im Hamburger Curio-Haus-Prozess. Vor einem britischen Militärgericht wurde gegen die Wachmannschaften des Arbeitserziehungslagers verhandelt. Der Grund für den Prozess waren nicht die Verbrechen, die dort allgemein verübt worden sind. Es ging um die britischen Staatsangehörigen, die dort misshandelt oder getötet worden waren. Lagerkommandant Walhorn wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Die Höchststrafe lag bei sieben Jahren. Heinrich Schauwacker war geflüchtet, Sebastian Schipper bereits zum Tode verurteilt.
Befreiung und Schweigen
Nach der Befreiung durch die britische Armee kehrte Harry Callan nach Irland zurück. Er fuhr weiter zur See. Allerdings sprach er weder mit seiner Familie noch mit seinen Mannschaftskameraden über das, was er in Farge erlebt hatte. Erst spät begann er, seine Geschichte zu erzählen. Dem Denkort Bunker Valentin gab Harry Callan 2014 ein lebensgeschichtliches Interview. Bei der Eröffnung des Denkortes 2015 gehörte Callan zu den Ehrengästen.
Erinnerung an Harry Callan
Seit 2013 ist der jährliche Lauf der Schüler:innen des Schulzentrums an der Eggestädter Straße nach Harry Callan benannt. Der Lauf beginnt am Bunker „Valentin“ und endet auf dem ehemaligen Lagergelände.