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Ausgehend von der Klanginstallation „Erinnern durch Klang“ hat das Diskussionsformat zu einem Austausch über die Chancen und Herausforderungen künstlerischer Interventionen an historischen Orten eingeladen. So ging es u.a. um Fragen, wie Klang die Wahrnehmung von historischen Orten beeinflusst, was Kunst an einem Ort wie dem Denkort Bunker Valentin bewirken kann und welche Besonderheiten Klang in Bezug auf Erinnerungskultur aufweist.
An der Gesprächsrunde waren beteiligt: Dr. Christel Trouvé, Historikerin und wissenschaftliche Co-Leitung des Denkort Bunker Valentin, Mattia Bonafini, Musiker und elektroakustischer Komponist (Klanginstallation „Erinnern durch Klang“) sowie Dr. Frank Laukötter, Kunsthistoriker und Autor mit dem Schwerpunkt moderne Kunst und Gegenwartskunst. Moderiert wurde die Veranstaltung von Carla Johanna Frese, Kunsthistorikerin.
Bei „Klang als Erinnerung“ sollte es sich bewusst nicht um eine „klassische“ Podiumsdiskussion handeln, stattdessen setzte die Veranstaltung auf Interaktivität; die Grenze zwischen Diskutant:innen und Publikum sollte verschwimmen. Die Diskutant:innen und die Moderatorin saßen deshalb auch nicht auf einer Bühne, sondern auf Sofas, die mit den Stühlen, auf denen das Publikum saß, einen Kreis bildeten. Die Szenerie wurde von Scheinwerfern mit warmem Licht beleuchtet, wodurch eine persönliche, zur Diskussion anregende Atmosphäre entstand.
Zu Beginn der Veranstaltung waren das Publikum und die Diskutant:innen gemeinsam dazu eingeladen, sich die Klangprojektion von Mattia Bonafini, die als Teil von „Erinnern durch Klang“ im Ruinenteil des Bunkers zu hören war, zwanzig Minuten lang anzuhören, um ihre Eindrücke später in der Gesprächsrunde zu teilen.
In der anschließenden Diskussion ging Dr. Christel Trouvé auf die Wichtigkeit von Kunst für die historisch-politische Vermittlungsarbeit am Denkort Bunker Valentin ein, da durch sie andere Sinne angesprochen und neue Zugänge geschaffen würden. Sie schilderte die Geschichte von „Kunst am Denkort“ und betonte, dass selbst weit vor der Eröffnung des Denkortes schon Kunst- und Kulturveranstaltung im Bunker „Valentin“ stattgefunden hätten. Etwa das Theaterstück „Die letzten Tage der Menschheit“ (1999-2004) oder das musikalisch-szenische Konzert „Cantate pour la vie“ (2000/2001), beruhend auf Gedichten von Überlebenden der Bunkerbaustelle.
Relativ schnell brachten sich Teilnehmende aus dem Publikum in die Diskussion ein. Eine Zuschauerin berichtete von ihren Gefühlen der Überwältigung durch den Ort und der Beklemmung angesichts seiner Geschichten und Dimensionen. Kunst könne jedoch helfen, wie auch Dr. Christel Trouvé betonte, die Ängste abzubauen, die manche Menschen vielleicht noch von der Beschäftigung mit dem Bunker abhalten. Nicht zuletzt könnten durch die Kunst auch Zielgruppen erweitert und ein diverseres Publikum angesprochen werden.
Ein Leitmotiv der Diskussion war die Frage zur Funktion von Kunst. Kann bzw. darf Kunst auch ein Selbstzweck sein oder muss sie immer eine Botschaft, eine Funktion haben? Dr. Frank Laukötter löste diesen Konflikt auf, indem er anhand der Klanginstallation exemplarisch darstellte, wie es Kunst gelingen kann, die beiden Extrempole – in seinen Worten einerseits das „l'art pour l'art“, andererseits die „Kunst mit Moral“ – miteinander zu vereinen.
Viele Teilnehmende aus dem Publikum sprachen über Gegenwartsbezüge, wie das Wiedererstarken faschistischer Tendenzen in der deutschen Gesellschaft oder der Angriffskrieg gegen die Ukraine. Eine Teilnehmerin berichtete von der Zerrissenheit, der Vergangenheit angemessen zu gedenken, sich dabei aber gleichzeitig aktuellen Konflikten sensibel zu nähern. Ein anderer Teilnehmer fragte sich, welche Impulse Kunst für das eigene antifaschistische Engagement und für eine kritische Analyse der Vergangenheit liefern könne. Dr. Christel Trouvé reagierte darauf, indem sie schilderte, dass Kunst keine Deutungen oder Interpretationen vorgeben könne, dafür aber Angebote schaffen solle, um die Welt zu dekodieren und das eigene Handeln zu reflektieren.