Am 12. November waren der bekannte Schauspieler Roman Knižka und das Bläserquintett OPUS 45 bereits zum zweiten Mal mit einem literarischen Kammerkonzert am Denkort Bunker Valentin zu Gast. In „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen…“ setzte sich das Ensemble vor einem Publikum aus knapp 200 Gästen mit der Geschichte und Gegenwart rechtsextremer Gewalt in Deutschland auseinander.
Am 12. November waren der bekannte Schauspieler Roman Knižka und das Bläserquintett OPUS 45 bereits zum zweiten Mal mit einem literarischen Kammerkonzert am Denkort Bunker Valentin zu Gast. In „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen…“ setzte sich das Ensemble vor einem Publikum aus knapp 200 Gästen mit der Geschichte und Gegenwart rechtsextremer Gewalt in Deutschland auseinander.
Zu Beginn des Konzerts rekapitulierten Roman Knižka und die fünf Musiker:innen feierlich den Schwur von Buchenwald. Nach der Befreiung des Konzentrationslagers schworen sich die Überlebenden „die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln“.
Die nachfolgenden Episoden zeigten, dass die Botschaft dieses Schwures im Deutschland nach 1945 nicht immer selbstverständlich war. Das verdeutlichte Roman Knižka anhand einer Welle von antisemitischer Gewalt, die 1959 durch die Bundesrepublik fegte. Angefangen bei geschichtsrevisionistische Rufen und Schmierereien, gipfelte sie in der Schändung mehrerer Synagogen und jüdischer Friedhöfe.
Eine Videosequenz, in der Roman Knižka eine Fernsehansprache des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer nachstellte, verdeutlichte die Verharmlosungen der antisemitischen Verbrechen durch die Politik. In der Rolle des Altkanzlers versprach Roman Knižka einerseits zwar juristische Sanktionen für die Täter:innen, bezeichnete die Taten andererseits aber als „Flegeleien ohne politische Grundlage“.
Im Laufe der Aufführung machte Roman Knižka von einem großen Repertoire an Requisiten Gebrauch. So notierte der Schauspieler die Daten von Anschlägen rechtsextremer Gewalt auf Tafeln. Mithilfe einer Aktentasche und Kreidespuren auf dem Boden beleuchtete er den Tatort des Attentats auf Rudi Dutschke im April 1968 durch den Rechtsextremisten Josef Bachmann. In einer Szene zum Oktoberfestattentat von 1980 hoben er und das Bläserquintett die Bierflaschen zum „O’zapft is!“.
Eine der erschütterndsten Passagen des literarischen Kammerkonzerts folgte, als Roman Knižka auf die unzähligen rassistischen und rechtsextremen Gewaltverbrechen einging, die sich in den 1990er Jahren in der jüngst wiedervereinigten Bundesrepublik ereigneten: Die brutale Ermordung von Amadeo Antonio, die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen, der Brandanschlag von Mölln. Voller Inbrunst intonierte er die abscheuerregenden Schreie der Beteiligten. Die rohe Brutalität der Täter:innen und die Untätigkeit der Sicherheitsbehörden schilderte er mit einer schonungslosen, fassungslos-machenden Direktheit. Emphatisch versetzte er sich in die Position der Familien der Opfer, die sich angesichts der Apathie der rechtsstaatlichen Institutionen im Stich gelassen fühlten.
Eine unrühmliche Rolle spielten die Behörden auch bei der Mordserie des NSU in den 2000ern: Stellvertretend für alle Opfer ging Roman Knižka auf die Ermordung des Blumenhändlers Enver Şimşek genauer ein. Das Publikum zeigte sich geschockt, als Knižka ausführte, wie mit Enver Şimşeks Ehefrau umgegangen wurde, während ihr Mann im Sterben lag – sie wurde verhört und selbst des Mordes an ihrem Mann bezichtigt.
Zum Schluss widmete sich Knižka eindrücklich der fortwährenden Aktualität von rechtsextremer Gewalt in Deutschland. Die jüngsten Morde von Halle, Hanau und am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ordnete er in eine lange Reihe von rechtsextremen Terrorakten ein, denen seit 1945 über 200 Menschen zum Opfer fielen. Angesichts einer zunehmenden Radikalisierung und Verrohung müssten wir stets wachsam bleiben, denn „es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen“ (Primo Levi).
Das Bläserquintett OPUS 45 begleitete Roman Knižkas Darbietungen mit den dissonanten, avantgardistischen Werken von drei Komponisten, die alle auf unterschiedliche Art von der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik betroffen waren: Paul Hindemiths Musik wurde von den Nationalsozialisten als „entartet“ verunglimpft, er wurde in die Emigration gezwungen. György Ligeti, dessen Kompositionen zu den bedeutendsten des 20. Jahrhunderts zählen, verlor seine Eltern im Holocaust. Sie wurden aufgrund ihrer jüdischen Herkunft im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Die Werke von Pavel Haas, die als radikal und provozierend gelten, wurden mit einem Aufführungsverbot belegt. Nachdem der Komponist in Ausschwitz ermordet wurde, gerieten sie lange in Vergessenheit und wurden erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt.
Mit der Gegenüberstellung von der Musik, die die Nationalsozialisten als „entartet“ verdammten, und den Schreckenstaten ihrer geistigen Nachfolger, gelang es den Musiker:innen einen passenden Kommentar, stellenweise auch Kontrapunkt zur Lesung zu erschaffen.
„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen…“ wurde veranstaltet von der Landeszentrale für politische Bildung Bremen / Denkort Bunker Valentin, dem Verein „Erinnern für die Zukunft“ e.V. und der Arbeitnehmerkammer Bremen. Die Veranstaltung wurde gefördert von der Partnerschaft für Demokratie.